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Das Frauenbild in der Bibel

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2. April 2021

Oder anders formuliert: Religiöse Hintergründe eines ur-weiblichen Phänomens

Ich möchte gerne das Osterfest zum Anlass nehmen, mir einige Gedanken über die Rolle der Frau zu machen, wie sie uns durch die Bibel und die Kirchengeschichte vermittelt wird. Und das hat einen besonderen Grund: In den Gesprächen mit meinen Klientinnen kommen wir immer wieder an den Punkt, dass wir das fehlende Selbstbewusstsein oder sogar Schuldgefühle als Ursache für die jeweiligen Probleme ermitteln.

Ich habe den Eindruck, dass viele Frauen sich für ganz vieles verantwortlich oder eben sogar schuldig fühlen: Aufgrund übermässiger Schuldgefühle bleiben Frauen in Beziehungen, die ihnen nicht gut tun. Frauen fühlen sich schuldig, wenn sie Kinder bekommen oder keine Kinder bekommen, wenn sie Karriere machen oder keine Karriere machen und Frauen fühlen sich schuldig, wenn es den Menschen in ihrer Umgebung nicht gut geht – und stellen ihre eigenen Bedürfnisse ganz schnell in den Hintergrund.

Und diese Verantwortung für alles und jeden wollen Frauen nicht wirklich übernehmen.

Wo immer etwas schiefläuft, wo Kinder unzufrieden werden

und Männer aggressiv, wo Kunden sich beschweren oder Chefs

lauthals toben – Frauen fühlen sich schuldig.

Christa Mulack

Lange Zeit habe ich darüber nachgedacht, woher dieser Automatismus kommt. Inzwischen bin ich der Meinung, dass das Frauenbild, das uns die katholische Kirche in 2000 Jahren vermittelt hat, massgeblich daran beteiligt ist. Und da schliesst sich wieder der Kreis zu Ostern und zu der Frau, die an den österlichen Ereignissen vor 2000 Jahren beteiligt war – Maria Magdalena.

Ich spreche hier von einer Zeit von 2000 Jahren, da sich die römisch-katholische Kirche selbst als direkte Nachfahrin der ersten christlichen Gemeinden sieht, die um die Jahre 30 n.Chr. entstanden sind.

Es herrscht immer noch viel Unklarheit über die Person und die Rolle Maria Magdalenas, die sie im Leben Jesu gespielt hat. Alle vier Evangelien erwähnen sie als Begleiterin Jesu und Zeugin der Auferstehung. Zwei nicht-biblische Schriften („Apokryphe Schriften“) stellen sie sogar auf eine Stufe mit den Aposteln und betonen ihre besondere Nähe zu Jesus – das Marien- und das Philippusevangelium.

Diese Schriften, entstanden zwischen 200 v. Chr. und 400 n. Chr. werden nicht zu den Dokumenten gezählt, die heute die Bibel ausmachen. In diesen Schriften wird sie sogar als „Anführerin der Apostel“ bezeichnet und es wird von einer Rivalität mit dem Apostel Petrus berichtet.

Wie behandelt die Amtskirche Maria Magdalena?

Die Abwertung Maria Magdalenas setzt sich im Laufe der Kirchengeschichte in vielen Formen fort. Papst Gregor der Grosse bezeichnet sie in einer Predigt, die er 591 hält, als „Sünderin und Ausgestossene“. In vielen anderen Schriften lastet ihr auch der Ruf einer Prostituierten an. Die fehlgeleitete Sexualität ist eigentlich immer ein Motiv, das mit Maria Magdalena in Verbindung gebracht wird. Als „reuige Hure“ geht Maria Magdalena schliesslich ins kollektive Gedächtnis der Christenheit ein. Magdalenenheime und Magdalenenklöster kümmern sich als Umerziehungsorte noch bis weit in das 20. Jahrhundert um „gefallene Mädchen“.

Wie sieht es mit den anderen Frauenfiguren in der Bibel aus?

Schauen wir uns die Figur der Urmutter Eva an.

Um es direkt vorweg zu sagen – Eva ist an allem Unglück schuld!

Weil sie auf die Schlange hörte und einen Apfel vom Baum der ERKENNTNIS ass (wäre der Wunschzustand Dummbleiben gewesen?) und Adam auch noch dazu verführte, das gleiche zu tun, vertrieb Gott letztendlich die Menschen aus dem Paradies. Zur Strafe müssen die Männer seitdem im Schweisse ihres Angesichts schuften und die Frauen unter Schmerzen ihre Kinder gebären.

Nebenbei bemerkt, ist das Motiv der Vertreibung aus dem Paradies und der Verbotsübertretung schon viel älter und wurde mehrmals im Altertum nachgewiesen. Und aus diesem Sündenfall schuf dann Augustinus das Konzept der „Erbsünde“ (nachgewiesen in seinen Werken nach 412 n. Chr.), die durch den Geschlechtsverkehr weitergegeben wird. Säuglinge können eben nur durch die Taufe von dieser schweren Last befreit werden. Ist immer noch offizielle Lehrmeinung der katholischen Kirche.

Was für ein merkwürdiges, menschlich begrenztes Gottesbild!

Aber leider entfaltete es seine volle Wirkung, jedenfalls für die Frauen.

Nach neuesten Forschungen war es der Apostel Paulus, der die „frauenfeindliche Interpretationslinie“ vorgab. So z. B. nachzulesen im ersten Korintherbrief:

Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen,

sondern die Frau um des Mannes willen.

Paulus, 1. Korinterbrief

Der einflussreiche christliche Autor Tertullian (ca. 150-220 n. Chr.) verurteilte die Frauen folgendermassen:

Du bist es, die dem Teufel Eingang verschafft hat … So leicht hast du den Mann, das Ebenbild Gottes,

zu Boden geworfen. Wegen deiner Schuld… musste auch der Sohn Gottes sterben.

Tertullian

Schlimmere Vorwürfe sind nicht denkbar. Man kann sich leicht vorstellen, welche Auswirkungen eine solche Verurteilung im Hinblick auf die Situation der Frauen in der Gesellschaft bedeutet. Sie lässt eine grosse Bandbreite von Verunsicherung und Schuld entstehen. Übrigens identifizieren weder das rabbinische Judentum noch der Koran Eva als allein Schuldige.

Kommen wir zur dritten im Bunde der biblischen Frauengestalten – der heiligen Maria, der Mutter Jesu.

Wenn ich mir diese drei wichtigsten Frauen der Bibel so anschaue, so erscheint mir Maria – die Jungfrau als Mutter – der Gegenpol zur sündhaften Eva zu sein. Ihr ebenso frommes wie aufopferungsvolles Muttersein wird zum einzig akzeptablen weiblichen Rollenmodell der christlichen Welt. Eine Frau ohne eigene Bedürfnisse, demütig und vor allem ohne Sexualität.

In der Mutterschaft, in der Aufopferung für ihre Kinder, als Brutmaschine für männliche Erben

… kann sich die Frau erlösen – nicht zuletzt von der inneren Eva.

Carel van Schaik & Kai Michel

Das ist der unbewusste Mythos, der immer noch in vielen Köpfen herumgeistert und viele Frauen noch immer quält.

Kommen wir zurück zu Maria Magdalena – wie geht’s jetzt weiter?

Die gute Nachricht sofort: Man beginnt allmählich umzudenken – auch in Kirchenkreisen.

Ist Maria Magdalena so etwas wie die „Quotenfrau“ des Christentums?

2016 würdigte Papst Franziskus Maria Magdalena offiziell als „Apostelin der Apostel“ – als „Apostola Apostolorum“. Diese Bezeichnung kam ihr in der Spätantike wie oben beschrieben schon öfter zu. So schrieb etwa Bischof Hieronymus im 4. Jahrhundert augenzwinkernd in einem Bibelkommentar:

Als Jesus auferstanden war, erschien er zuerst den Frauen. Jene wurden

„Apostelinnen der Apostel“. Und die Männer sollten schamrot werden, weil sie den nicht suchten,

den das zartere Geschlecht schon gefunden hatte.

Bischof Hieronymus, 4. Jahrhundert

In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein frohes und nachdenkliches Osterfest!

Wer sich weiter über diese Themen informieren möchte, dem kann ich folgende Bücher sehr ans Herz legen:

Carel van Schaik/Kai Michel. Die Wahrheit über Eva. Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern. Rowohlt

Christa Mulack. Und wieder fühle ich mich schuldig. Die Ursachen eines weiblichen Problems und seine Lösung. Pomaska-Brand-Verlag

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