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Ein Jahr Corona – eine Bilanz

Lange Zeit hatte ich keine Lust über das Thema zu schreiben, dass nun seit einem Jahr unser Denken und Handeln prägt, wie nichts Vergleichbares zuvor. Aus diesem Grund wird dieser Blogbeitrag auch nicht die millionste Auflistung von Tipps, wie man der Krise doch noch irgendetwas Gutes abgewinnen kann oder wie man sie als Chance begreift. 

Das kann ich – ehrlich gesagt – nicht mehr hören!

Dennoch musste auch ich die Veränderungen zur Kenntnis nehmen und mein Leben danach ausrichten und mich mit Corona und den Begleiterscheinungen auseinandersetzen.

Jetzt, nachdem vor genau einem Jahr der erste Corona-Fall in der Schweiz entdeckt worden ist – ein 70jähriger Mann aus dem Tessin -, ziehe ich Bilanz und möchte euch gerne an meinen Erkenntnissen teilhaben lassen. Und würde mich über einen Austausch mit euch sehr freuen.

1. Mehr Abstand ist gar nicht so schlecht.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich mag Menschen und ihre Gesellschaft wirklich gerne, manchmal und wenn ich sie mir aussuchen kann. Und wir brauchen hier auch nicht über die Zwangsisolation alter Menschen oder Quarantäne in einer 3-Zimmer-Wohnung zu sprechen. Da empfinden wir wahrscheinlich alle gleich. Alleinsein war aber auch schon vor den Abstandsregelungen sehr wichtig für mich. Denn ich bin ein Mensch, der sich zum Aufladen seiner Batterien immer mal wieder zurückziehen muss und genügend Raum für sich braucht. 

Abstand und Raum für mich bezieht sich dabei nicht nur auf die räumliche Distanz, sondern auf das «Dransein» im Allgemeinen: zu nah dran an den anderen Themen des Weltgeschehens, an Verpflichtungen, an Menschen, an Terminen etc.

Im letzten Jahr sind mir diese Themen und meine Einstellung zu ihnen noch einmal viel bewusster geworden und in meinem Leben sind plötzlich Fragen aufgetaucht, deren Beantwortung mich in meiner persönlichen Entwicklung ganz schön weit nach vorne gebracht hat:

  • Wieviel Raum und Zeit brauche ich für mich und wieviel Nähe möchte ich überhaupt?
  • Wo kann ich in meinem Alltag diese Inseln auch in der Zeit nach Corona einbauen?
  • Wo und wie kann ich meine Batterien aufladen und kümmere ich mich auch genug darum?

2. Ich brauche keine totale Kontrolle.

Ich habe es gerne, wenn es in meinem Leben «rund» läuft und ich nach Möglichkeit auf alle Eventualitäten gut vorbereitet bin. Diese Einsicht hatte ich schon vor langer Zeit und irgendetwas in mir hat mich immer mal wieder gefragt, ob mir diese Einstellung dem Leben gegenüber wirklich so gut tut. Denn ich habe eben auch schon Bekanntschaft geschlossen mit dem, was passiert, wenn das Streben nach Perfektion Überhand nimmt: Anstrengung, Unzufriedenheit, Angst und das Verpassen von Gelegenheiten, die ganz spontan an die Tür klopfen.

Und genau hier hat mich das letzte Jahr gepackt. Denn es war einfach nichts mehr planbar, auch wenn man sich noch so sehr angestrengt hatte. Das Coronavirus zeigte den Kontrollbestrebungen die lange Nase! 

Mit der Zeit habe ich viel mehr Gelassenheit entwickelt und mich nicht mehr über die Dinge aufgeregt, die nicht zu ändern sind. Und ich habe das Unvorhergesehene in mein Leben gelassen und dadurch viele Möglichkeiten erkannt, die diese anspruchsvolle Zeit mitbrachte (obwohl ich ja eigentlich über die Chancen der Krise gar nicht schreiben wollte). Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass sich mit der Zeit ein gewisses Grundvertrauen bei mir eingestellt hat. Inzwischen kann ich Dinge auch vertrauensvoll loslassen, sie regeln sich schon irgendwie.

Ganz nach dem Motto: «Wenn nicht so, dann eben anders.»

Zu dem Aspekt der Kontrolle waren folgende Fragen für mich hilfreich:

  • Muss ich wirklich alles kontrollieren oder gelingt das Leben durch Loslassen vielleicht sogar besser?
  • Ist mein Leben voll durchorganisiert oder hat auch das Unvorhergesehene noch Platz?
  • Wie kann ich Loslassen bewusst üben und anwenden?

3. Veränderung ist das Salz in der Suppe des Lebens.

Veränderung ist für die meisten Menschen nicht unbedingt ein positiv besetzter Begriff. Er lässt die Alarmglocken schrillen. Bei Veränderung denkt man oft auch an die Angst vor dem Unbekanntem, das Verbleiben in der Komfortzone, die geliebten Gewohnheiten – und ist felsenfest davon überzeugt: «Das geht nur so, das habe ich immer schon so gemacht!»

Und dann kam Corona und zeigte: «Geht nicht, gibt’s nicht!»

Ganz vieles, das vorher undenkbar war, musste plötzlich gehen: Begegnungen und Online-Meetings per Zoom, Home Office, Online-Betrieb an Schulen und Universitäten und vieles mehr. Und eins wurde dabei ganz klar, das wir vielleicht ein bisschen vergessen hatten:

Menschen sind Weltmeister im Anpassen.

Ohne diese Fähigkeit hätte es die Evolution nicht gegeben.

So what? Viele Menschen wurden regelrecht aufgerüttelt und konnten alte Denkmuster und Verhaltensweisen durchbrechen oder sofort ganz aufgeben, dank Corona. Auch in meinem Umfeld habe ich viele Beispiele entdeckt, wie Menschen plötzlich merkten, wie gut und flexibel sie auf neue Situationen reagieren konnten. Ich will nicht so weit gehen und behaupten, Corona hätte die Menschen manchmal zu ihrem Glück gezwungen. Aber die Herausforderungen, die wir in diesem Jahr bestehen mussten, hat bei vielen von uns ungeahnte Fähigkeiten und Energien freigesetzt.

Auch ich selbst habe selbstschädigende Überzeugungen überwunden, mit denen ich es mir schon so richtig gemütlich gemacht hatte (ganz geheim und nur unter uns: Ich hatte mich immer für eine digitale Analphabetin gehalten – pssst!). Plötzlich musste ich mich mit Online-Coaching, neuer Software und digitaler Weiterbildung befassen – und es hat mich beruflich und persönlich enorm weitergebracht!

Folgende Fragen möchte ich dir zu deiner Inspiration mit auf den Weg geben:

  • Möchte ich in meinem Leben etwas verändern, zögere das aber hinaus, weil ich vor der Veränderung Angst habe?
  • Könnte ich Neuem und Unbekanntem vielleicht mehr Platz in meinem Leben einräumen?
  • Mit welchen Denkmustern und Überzeugungen schränke ich mich ein – und würde sie eigentlich gerne loswerden?

4. Ich wusste gar nicht, dass ich so stark bin.

Oder anders formuliert: Ich wusste es erst, als Starksein die einzige Wahl war, die ich hatte. 

Denn in diesem Jahr musste ich auch mit ganz schwierigen privaten Themen umgehen: Krankheit meines Vaters im Endstadium, notfallmässige Suche eines Pflegeplatzes (und gefunden trotz Warteliste von 836 (!) Personen), Begleitung in den Tod, Betreuung meiner Mutter, immer im Spagat über Ländergrenzen und Corona-Bestimmungen, Gründung meiner Firma «Frauenakademie Luzern» https://frauenakademie-luzern.ch/frauenakademie-luzern/ueber-frauenakademie-luzern/und vieles mehr.

Ich habe immer versucht, mich auf das Gute und das Gelingen zu fokussieren und mich oft gefragt, ob hinter diesen ganzen Schwierigkeiten und Herausforderungen auch ein Sinn zu erkennen ist. Für mich persönlich kann ich inzwischen sagen, dass ich durch die Corona-Zeit noch deutlicher erkannt habe, was und wer wirklich wichtig in meinem Leben ist. Zum Teil habe ich meine Prioritäten auch neu gesetzt. 

Ich bin mir darüber klar geworden, welche Menschen mir Kraft gegeben und meine Batterien wieder aufgeladen haben. Und ich bin für diese Unterstützung noch dankbarer geworden, als ich es vorher schon war. Corona hat mir gezeigt, was wir alles gemeinsam schaffen können und das wir es gemeinsam schaffen können. Diese Solidarität trägt uns und jeden Einzelnen in solchen schweren Zeiten.

Wir Menschen sind soziale Wesen und können Krisen nur überstehen,

wenn wir auf unsere Mitmenschen schauen.

Vielleicht helfen dir folgende Fragen, um dir deiner Stärken bewusst zu werden:

  • Durch welche deiner Stärken hast du dieses Jahr gut überstanden?
  • Wer oder was hat dir Kraft gegeben?
  • Auf wen oder was konntest du eigentlich gut verzichten?

5. Freiheit ist nicht selbstverständlich.

Tja, das ist genau der Punkt, wo ich mich ein bisschen auf das berühmte Glatteis begebe. 

Viele Dinge sind in diesem Jahr passiert, die mich sehr berührt haben. Die Corona-Pandemie mit unfassbarem Leid, überforderte Pflegekräfte, Hospitäler und Landesregierungen, politische Ereignisse wie die US-Wahl, das Elend in den Flüchtlingscamps, die weltweite Situation von Frauen, die weltweite wirtschaftliche Lage und vor allem die Art der medialen Berichterstattung über diese Themen. 

Als ehemalige langjährige Journalistin sind mir die Wege, die eine Nachricht nimmt, bis sie mal beim Leser/Hörer ankommt, bekannt. Und mir ist auch bekannt, wie man Nachrichten auswählen und darstellen kann, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen – bis hin zu dem perversen Endprodukt in Form von «Fake news». 

Was aber neu für mich war in diesem Jahr, war das Gefühl, dass ich plötzlich selbst nicht mehr wusste, wem und was ich noch glauben kann. Besonders bei der Berichterstattung über die Corona-Pandemie habe ich den Eindruck, dass alle Aussagen – seien sie auch noch so gegensätzlich – mit Fakten und wissenschaftlichen Statements belegt werden können. 

Sich in diesem Dschungel von Meinungen, Fakten und Zahlen zurechtzufinden, erfordert viel Kenntnisse, wenn es nicht in Wirklichkeit sogar ziemlich unmöglich ist.

Ich möchte in diesem Beitrag auch keine inhaltliche Diskussion über die Corona-Pandemie und deren Bewältigung führen. Was mir aber sehr wichtig ist, das ist unser Umgang mit Menschen, die eben eine andere Meinung über die Dinge haben als wir selbst. In diesem Zusammenhang habe ich viel über das bekannte Zitat von Rosa Luxemburg nachgedacht:

„Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“

Obwohl Rosa Luxemburg alles andere als eine tolerante Politikerin war, empfinde ich dieses Zitat fast wie eine Ermahnung. Wenn ich die öffentliche Diskussion über politische Themen insbesondere im letzten Jahr verfolge, habe ich schon oft den Eindruck, dass das Grundprinzip der Demokratie – das freie Denken – ziemlich vergessen wird. 

Ich bemerke, dass sich Wortbedeutungen und Werte zum Teil ins Gegenteil verkehrt haben. Beispielsweise ist das Wort «Querdenker» plötzlich zum Schimpfwort mutiert, wobei es vor einigen Jahren noch in vielen Stellenangeboten auf Kaderebene als Top-Charaktermerkmal ausdrücklich von den Stellenbewerbern erwünscht war.

Was ist nun mit den Menschen, wenn sich Werte, an die man sich immer orientieren konnte, plötzlich ins Gegenteil verkehren und nicht mehr gelten? Weiss man dann noch, woran man glauben soll, wovon man überzeugt sein (darf) und was wichtig ist? Ich nehme wahr, dass sich in unserer Gesellschaft eine starke Verunsicherung breit gemacht hat. Diese Unsicherheit spaltet die Gesellschaft und eigentlich sogar das ganze Land. Das macht den Menschen Angst. Zuerst geraten die Werte ins Wanken und dann die Menschen.

Deshalb bemühe ich mich – auch wenn es mir manchmal schwerfällt – den Ausspruch des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick zu beherzigen:

„Der Andersdenkende ist kein Idiot,

er hat sich eben eine andere Wirklichkeit konstruiert.“

So, das waren meine Überlegungen zum vergangenen Jahr. Hast du auch schon eine Bilanz gezogen? Welche Gedanken sind dir zur Corona-Krise gekommen? Ich würde mich sehr über einen Austausch freuen.

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