Petra Sewing Mestre Kreativer Malprozess

«Ich male mir mein Leben, bunt und wie es mir gefällt» – Warum ist das Leben wie ein kreativer Malprozess?

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3. Dezember 2020

Eine meiner grössten Freuden in meinem Leben ist die Malerei, eigentlich muss ich sagen, die Freude an der Buntheit, an den unterschiedlichen Farben, an den vielfältigen Materialien und der spannenden Freude, was denn da so entstehen wird.
Wenn ich so über die unterschiedlichen Phasen des Lebens nachdenke, entdecke ich viele Ähnlichkeiten zum Malprozess, so wie er bei mir abläuft.

Ganz am Anfang ist da die grosse weisse Leinwand

Und meistens sind meine Leinwände sehr gross. Auf mindestens 1,50 x 1 m liegt sie dann vor mir, wie mein Leben zu Beginn meiner Existenz. Ich habe kein Ziel, keine Vorgabe – ich möchte nur etwas erschaffen, mit meinen Händen, mit meinen Gedanken und mit meinem Herzen. In mir ist grosse Lust, freudige Spannung und manchmal sogar eine kleine versteckte Angst, ob es mir gelingt, diese grosse Fläche so zu gestalten, dass mein Werk mir zum Schluss des Prozesses ein Gefühl von Stimmigkeit und bestenfalls ein grosses glückliches Herz verschafft. Wenn ich von der Malerei etwas erhoffe, dann ist es wirklich dieses grosse glückliche Herz am Ende, egal wie auch immer es entstehen mag.

Ja, und dann geht es erst mal los: Soviel Weiss liegt vor mir, alles ist möglich, ich kann aus der ganzen Buntheit meiner Farbtöpfe, Tuben und Pigmente schöpfen. Ich tauche ein in Farben und Materialien, experimentiere mit Mut und Risiko und geniesse die unendliche Vielfalt der Möglichkeiten. Es ist wie ein grosses Spiel, es gibt kein «du musst» oder «man macht das so».

Aufgeben gilt nicht

Dabei ist das Malen nicht immer nur reines Vergnügen, manchmal sogar ein regelrechter Kampf mit dem Werden und mit dem Bild: Nichts passt zusammen, die Farbkombination, die in meinem Geist so wundervoll sich darstellte, sieht nun vor mir einfach grässlich aus. Hin und wieder wandert mein Blick sogar zum Abfallkübel – sozusagen der allerletzte Ausweg.

Aber ich habe mich inzwischen dazu erzogen, nicht einfach so aufzugeben. Wenn es gar nicht vorwärts geht, verlasse ich meine Arbeit und versuche, eine andere Perspektive in meinen Kopf zu bekommen – am meisten hilft mir dabei eine Runde mit unserem Hund Emilio. Ich habe fast die Vermutung, dass er deshalb so gerne und teilweise stundenlang neben meinem Maltisch liegt, weil er genau weiss: «Irgendwann ist sie wieder so weit und dann kommt endlich meine Stunde.»

Das Malen hat mir somit viel gezeigt, auch über das Leben. Ich bin gezwungen, in schwierigen Situationen Entscheidungen zu treffen und diese auch umzusetzen. Und es hilft nicht, sich diesen Herausforderungen nicht zu stellen und stattdessen den Abfallkübel zu benutzen… Mich den Schwierigkeiten zu stellen , zwingt mich, oftmals kreative Lösungen zu finden, an die ich vorher nie gedacht hatte, damit es weitergehen kann.

Malen und leben im Flow

Ja, und manchmal läuft es wie von selbst. Je weiter das Bild entsteht, desto mehr werde ich ein Teil von ihm. Das erhoffte Glück macht sich in meinem Herzen immer breiter und ebenso das Gefühl, ja, so muss es entstehen und genau so kann ich die einzelnen Bereiche auf dem Bild zusammenfügen und ihnen einen roten Faden verleihen, der für die so ersehnte Stimmigkeit am Ende absolut notwendig ist. Ich entdecke beim Malen zunehmend bekannte Muster und Strukturen, nicht nur im Bild, sondern sogar in mir. Ich kenne die Schwierigkeiten schon recht gut, die beim Malen auftauchen – sie sind inzwischen fast schon wie alte Bekannte, ich erwarte sie und kann mit der Zeit immer besser mit ihnen umgehen.

Der Malprozess als Transformation

Das Bild lädt mich ein, im Schaffensprozess und in der Auseinandersetzung mit ihm, zu tiefen Einsichten auch über mich selbst zu kommen, die sich wiederum auf andere Lebensbereiche ausweiten.

Aus diesem Grund und weil das Malen für mich so viel mehr bedeutet als die möglichst genaue Abbildung der Wirklichkeit, kann ich auch nur ganz abstrakt und grossformatig malen. Mein Sohn fragte mich mit 9 Jahren einmal: «Mama, kannst du nicht auch mal was malen, was man erkennt?» «Nein, David, kann ich nicht, das finde ich langweilig. Ein Blumenstrauss, ist ein Blumenstrauss und bleibt ein Blumenstrauss. Es bleibt doch kein Platz für Interpretation.»

«Was ist Interpretation? Versteh ich nicht.»

Lange Pause, er steht vor dem Bild und schaut es sich lange an. «Ist ok, Mama, mal mal so weiter. Ich muss nur lange genug draufschauen, dann kommt es von alleine aus dem Bild, das was es bedeutet.»

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